Tag Archives: Kündigung

19Aug./11

Schlechte Arbeit führt nicht automatisch zur Kündigung

 München/Berlin (DAV). Ein Arbeitgeber kann einen Angestellten nicht mit der Begründung kündigen, er mache besonders viele Fehler. Eine solche Kündigung setzt grundsätzlich voraus, dass die „Durchschnittsleistung“ der vergleichbaren anderen Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum vom Arbeitgeber dokumentiert wird. Nur so kann festgestellt werden, ob der gekündigte Arbeitnehmer die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit über längere Zeit hinweg erheblich überschritten hat. Liegt eine solche überdurchschnittliche Häufigkeit vor, kann diese jedoch je nach Fehlerzahl, Art und Schwere der Folgen eine Kündigung rechtfertigen. Auf eine entsprechende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom 3. März 2011 (AZ: 3 Sa 764/10) macht die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) aufmerksam.

Die Klägerin ist kaufmännische Angestellte und beim Versand von Paketen und Frachtbriefen für die Erfassung nationaler und internationaler Frachtdaten zuständig. Nach einer Reihe von Fehlern, wie beispielsweise der Aufnahme einer falschen Länderkennung, der falschen Bezeichnung des Frachtgutes und der Nichtdeklarierung als Zollgut, kündigte ihr der Arbeitgeber. Er argumentierte, dass die Arbeitnehmerin bis zu einer Umorganisation anstandslos gearbeitet hätte. Es fehle ihr damit nicht am Fachwissen, sondern an ihrer Bereitschaft, dieses Fachwissen entsprechend einzusetzen. Vor Gericht erklärte der Arbeitgeber, dass die Mitarbeiterin Fehler gemacht habe, die andere Arbeitnehmer nicht machten. Die Angestellte wehrte sich gegen die Kündigung mit der Begründung, dass dem Arbeitgeber kein Schaden entstanden sei. Zudem würden auch andere Mitarbeiter Fehler machen und letztlich die vom Arbeitgeber geschilderten Vorfälle Bagatellen darstellen.

Die Kündigung ist unwirksam, stellte das Gericht fest. Zwar würden sich aus dem, was der Arbeitgeber darlegte, tatsächlich erhebliche qualitative Fehler der Mitarbeiterin, also eine qualitative Minderleistung, ergeben. Trotzdem sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Bei der Bewertung, ob eine qualitative Minderleistung vorliege, komme es darauf an, ob der Arbeitnehmer dasjenige tue, was er solle, und zwar so gut, wie er es könne. Die Leistungspflicht sei nicht starr, sondern dynamisch und orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab sei nicht anzusetzen. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringe, müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpfe. Allerdings könne die langfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten verletze. Hierzu müsse der Arbeitgeber dann aber Tatsachen darlegen, aus denen ersichtlich wäre, dass die Leistung der Klägerin deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben sei. Notwendig sei also eine Vergleichsmöglichkeit mit der „Vergleichsgruppe“. Diese habe hier aber gefehlt.

Der Fall zeigt, dass man sich früh anwaltlicher Hilfe versichern sollte. So konnte sich die Angestellte erfolgreich gegen die Kündigung wehren. Auf der anderen Seite sollten sich Arbeitgeber frühzeitig über die Möglichkeit von Kündigungen beraten lassen, empfehlen die DAV-Arbeitsrechtsanwälte. Arbeitsrechtsanwälte in der Nähe findet man unter www.ag-arbeitsrecht.de

22Juni/11

Eigenbedarf – Vermieter muss Alternativwohnung auch schon vor Kündigung anbieten

 Landsberg am Lech/Berlin (DAV). Kündigt der Vermieter dem Mieter wegen Eigenbedarfs, muss er ihm eine Alternativwohnung anbieten. Sind die Gründe für den Eigenbedarf schon vor der Kündigung gegeben, kann er verpflichtet sein, dem Mieter schon vor Ausspruch der Kündigung eine Wohnung anzubieten. So entschied das Amtsgericht Landsberg am Lech am 29. Juni 2010 (AZ: 1 C 194/10).

Ein Vermieter kündigte seiner Mieterin wegen Eigenbedarfs. Er begründete den Eigenbedarf mit Heirat und Kinderwunsch, seiner etwa zeitgleich aufgenommenen selbständigen Tätigkeit und dem absehbaren Pflegebedarf der Schwiegermutter. Der Vermieter bewohnte in dem Drei-Parteien-Haus die kleinste Wohnung im Dachgeschoss. Die Mieterin wohnte seit über zehn Jahren in der Erdgeschosswohnung. Im ersten Stock befand sich eine gleich große Wohnung. Kurz bevor der Mieterin gekündigt wurde, stand diese leer und wurde renoviert. Nur sieben Wochen vor der Kündigung wurde die Wohnung, inzwischen renoviert, wieder vermietet.

Mit seiner Räumungsklage hatte der Mann jedoch keinen Erfolg. Sein Versäumnis war es, seiner Mieterin die freie Wohnung in der ersten Etage nicht angeboten zu haben. Es sei übliche Rechtsprechung, dass ein wegen Eigenbedarfs kündigender Vermieter dem Mieter vergleichbare freie Wohnungen anbieten müsse, so die Richter. Diese sogenannte Anbietpflicht von Alternativwohnungen solle den harten Eingriff der Kündigung und den daraus folgenden Wohnungsverlust abmildern.

Entscheidend war, dass das Gericht diese Anbietpflicht auf die Zeit vor der Kündigung ausdehnte: Der Vermieter hätte die Wohnung im ersten Stock der Mieterin anbieten müssen. Zwischen Weitervermietung der Alternativwohnung und Kündigung hätten nur sieben Wochen gelegen. Die Mieter seien sogar erst drei Wochen vorher eingezogen.

Informationen: www.mietrecht.net