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16Juni/11

An privatisiertes Unternehmen überlassene Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben Betriebswahlrecht

 Kiel/Berlin (DAV). An eine privatwirtschaftlich organisierte Tochtergesellschaft langfristig überlassene „Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes“ zählen und wählen bei der Betriebsratswahl im Beschäftigungsbetrieb mit. Außerdem sind sie dort auch wählbar. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in mehreren Wahlanfechtungsverfahren entschieden (AZ: 3 TaBV 31/10 vom 23. März 2011 und 2 TaBV 35/10 vom 5. April 2011), wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) mitteilt.

Im Jahre 2005 hatte ein als öffentlich-rechtliche Körperschaft betriebenes Klinikum den gesamten Servicebereich auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft ausgegliedert. Diese unterhält an zwei Standorten in Schleswig-Holstein Betriebe. Seit Anfang 2010 ist ein privater Investor zu 49 Prozent an der Tochtergesellschaft beteiligt. Die Arbeitsverträge aller von dieser Ausgliederung schon 2005 betroffenen Arbeitnehmer blieben unverändert und richten sich weiterhin nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Alle Mitarbeiter widersprachen einem Vertragswechsel zum privaten Arbeitgeber und sind seit 2005 unverändert an ihren alten Arbeitsplätzen im Betrieb des Tochterunternehmens tätig. Die Tochtergesellschaft erstattet dem Klinikum für die gestellten Arbeitnehmer die Vergütung, erteilt die fachlichen Weisungen, darf aber zum Beispiel keine Kündigungen aussprechen.

Bei der Betriebsratswahl 2010 in dem Tochterunternehmen durften die 221 bzw. 284 überlassenen Arbeitnehmer wählen. Zwei Vorschlagslisten zweier Gewerkschaften hatte der Wahlvorstand allerdings nicht zugelassen, weil auf ihnen mehrere vom Klinikum gestellte Beschäftigte standen. Diese konnten nicht gewählt werden. An einem Standort wurde deshalb auch anstelle eines dreizehnköpfigen Betriebsrats nur ein Gremium aus 11 Betriebsratsmitgliedern gewählt.

Die beiden Gewerkschaften waren mit ihren Wahlanfechtungsverfahren durch zwei Instanzen erfolgreich. Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die langfristig einer privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaft gestellt seien, seien in ihrem Einsatzbetrieb bei Betriebsratswahlen wahlberechtigt. Sie seien außerdem auch wählbar und bei der Betriebsratsgröße mitzuzählen, so die Richter. Das folge aus der seit August 2009 geltenden gesetzlichen Neuregelung des Betriebsverfassungsrechts.

Eine Entscheidung vom 27. April 2010 in einem dritten Wahlanfechtungsverfahren (3 TaBV 36/10) betraf einen ähnlich gelagerten Sachverhalt. Dort hatte der Wahlvorstand vier Arbeitnehmer mitgezählt, die ein Landkreis nach Ausgliederung einer privatisierten Tochtergesellschaft dieser überlassen hatte. Mit diesen Arbeitnehmern hatte der Wahlvorstand einen fünfköpfigen Betriebsrat wählen lassen. Die Arbeitgeberin meinte, es hätte nur ein dreiköpfiger Betriebsrat gewählt werden dürfen.

In allen drei Verfahren ist die Rechtsbeschwerde aufgrund der neuen Gesetzeslage wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden. Aktenzeichen des Bundesarbeitsgerichts sind noch nicht bekannt.

Informationen: www.ag-arbeitsrecht.de

30Apr./11

Porsche-Betriebsrat wirft Kretschmann Spiel mit Mitarbeiter-Ängsten vor

Stuttgart – In der Debatte um den Auto-Standort Baden-Württemberg hat der Porsche-Betriebsrat den designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann massiv kritisiert. „Herr Kretschmann spielt leichtsinnig mit den Ängsten der Mitarbeiter“, sagte Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück im Gespräch mit der Branchen- und Wirtschaftszeitung Automobilwoche. „Und leider folgt er noch der alten Denkart, wonach schlecht ist, was sich flott fährt“.

Hück warf dem Grünen-Politiker vor, dieser habe sich „noch nicht ein einziges Mal bei uns im Unternehmen sehen lassen“ und fügte hinzu: „Warum redet er nicht mit unseren Managern, dem Betriebsrat oder direkt mit den Beschäftigten?“. Nur so „könnte Kretschmann erfahren, was wir bei Porsche etwa zum Thema Nachhaltigkeit in der Schublade haben – viel mehr, als er denkt“. Dazu gehöre nach Ansicht des Betriebsrates, „dass wir keine Dreckschleudern verkaufen, sondern innovative Fahrzeuge, die weltweit auch bei der Umweltfreundlichkeit den höchsten Ansprüchen genügen“. Kretschmann riskiere, nicht nur bei überzeugten Autofahrern in Misskredit zu geraten: „Viele Leute sehen ihn inzwischen schon als ‘Mappus in Grün’“, so Hück in Anspielung auf den Wahlverlierer Stefan Mappus von der CDU. Der Porsche-Mann hofft nun auf den kleineren Koalitionspartner SPD: „Wir brauchen nicht nur Grün im Ländle, wir brauchen viel Rot“.
Porsche-Chef Matthias Müller will Kretschmann laut Hück bald zu einem Werksbesuch einladen. Der Betriebsrat: „Wir sind bereit“.

16Apr./11

Porsche-Betriebsrat: Neben Leipzig auch Stuttgart ausbauen

„Agenda 2018“ für Wachstum in Zuffenhausen – Absage an „Plan B“ von VW

Stuttgart – Nach dem Willen des Porsche-Betriebsrates soll neben dem beschlossenen Ausbau der Fabrik in Leipzig auch das Stammwerk Stuttgart erweitert werden. Dies forderte Uwe Hück, Betriebsratschef des Sportwagenanbieters und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats, im Interview mit der Branchen- und Wirtschaftszeitung Automobilwoche: „Unser Ziel ist, dass wir auch den Standort Stuttgart erheblich ausbauen. In den besten Jahren, 2006/2007, haben wir hier rund 38.000 Sportwagen gebaut, mit Überzeiten und Schichten am Samstag“, sagte Hück. „Ich kann mir gut vorstellen, im Jahr 2018 hier in Stuttgart rund 60.000 Neuwagen pro Jahr zu produzieren. Dann aber im Zweischichtsystem und mit flexiblen Arbeitszeiten“.

Zusätzliches Volumen im Stammwerk könnte durch eine völlig neue Baureihe oberhalb des Porsche 911 entstehen. „Zwischen 150.000 Euro und 768.026 Euro, dem Preis des 918 Spyder, tut sich in der Tat eine sehr große Lücke auf“, unterstrich Hück. „Da passt schon noch etwas von uns hinein“. Arbeitnehmervertreter und Porsche-Management beschäftigen sich daher bereits intensiv mit einer „Agenda 2018“, die auch das geplante Wachstum in Stuttgart abbilden soll. „Wir planen einen deutlichen Ausbau der Kapazitäten in Zuffenhausen, und was ich da sehe, das begeistert mich“, sagte der Betriebsratschef.

Zur geplanten Integration von Porsche und VW sagte Hück: „Ich war und ich bin gegen jede feindliche Übernahme – und ich bleibe klar für eine Verschmelzung mit VW“. Widerstand jedoch kündigte Hück gegen den „Plan B“ von VW an. Dieser sieht vor, dass VW die Porsche AG komplett erwirbt und die Dachgesellschaft Porsche Automobil Holding SE bestehen bleibt, sofern die Verschmelzung mit VW nicht zustande kommt. Hück betonte, er habe in seinem Nachruf auf den Firmengründer „im Namen der Belegschaft versprochen, das Erbe Ferry Porsches zu wahren und alles dafür zu tun, dass Porsche immer Porsche bleibt“. Hück kämpferisch: „Ich werde daher dagegen sein, wenn VW die restlichen Anteile der Porsche AG erwerben will. Und die anderen Arbeitnehmervertreter sehen das ausnahmslos genauso“.

Einem Porsche-Werk im Wachstumsmarkt China erteilte Hück ebenfalls eine Absage: „Nein, das ist für mich undenkbar. Es macht Sinn, dass ein Porsche in Deutschland gebaut wird. Wir bauen ja nicht ohne Grund unter anderem das Werk Leipzig massiv aus.“ Doch könnte sich Hücks ablehnende Haltung ändern: „Sollten allerdings die Chinesen eines Tages sagen, dass wir unsere Autos zum Teil vor Ort montieren müssen, könnten wir uns einer CKD-Fertigung in China wohl kaum verweigern.“ Auch die mögliche Produktion eines Porsche-Modells im neuen VW-Werk Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee lehnt Hück derzeit ab: „Ein Porsche muss in Deutschland gebaut werden, nicht in den USA.“