Category Archives: Recht

25Juni/10

Sozialhilfe muss Versicherung im Basistarif finanzieren

Ein 72-jähriger Mann wehrte sich gegen die von der Stadt Essen vorgenommene Kürzung der Leistungen zur Finanzierung der monatlichen Beiträge seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung auf ein unterhalb des Basistarifs liegendes Maß. Die Stadt hatte bei der Sozialhilfegewährung nur noch Beiträge in Höhe der für einen gesetzlich krankenversicherten Sozialhilfeempfänger abzuführenden Beträge berücksichtigt. Diese lagen rund 130 Euro unter den Kosten, die dem Mann im von ihm zuletzt gewählten Basistarif seiner privaten Krankenversicherung entstanden. Ein Wechsel zurück in die gesetzliche Krankenversicherung war dem Mann aus Rechtsgründen verschlossen.
Nachdem das Sozialgericht Duisburg den Antrag des Betroffenen auf Eilrechtsschutz abgelehnt hatte, gab das LSG hingegen dem Antragsteller Recht. Und dies sogar im Eilwege, weil die von der Stadt für den Sofortvollzug ihrer Absenkungsentscheidung gegebene Begründung nicht ausreichte. Diese ließe insbesondere nicht erkennen, aus welchen besonderen Gründen eine sofortige Vollziehung gerade im Fall des Antragstellers erforderlich sein sollte. Der Betroffene müsse die Möglichkeit haben, weiter bei einer privaten Krankenversicherung zu bleiben. Die Kosten hierfür seien zu erstatten.
Informationen: www.arge-medizinrecht.de

25Juni/10

BGH-Urteil zu Sterbehilfe

Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) rät zur Durchsetzung des eigenen Willens dringend dazu eine eigene, individuelle Patientenverfügung zusammen mit einer Vorsorgevollmacht zu errichten.
In der Entscheidung ging es um Rechtsfragen des Abbruchs und der Unterbrechung der Behandlung einer unheilbar erkrankten und selbst nicht mehr entscheidungsfähigen Patientin, die noch vor dem Inkrafttreten des neuen Patientenverfügungsgesetzes am 01. September 2009 eine Tochter und ihren beratenden Anwalt auf die Anklagebank gebracht hatten. Die Tochter hatte den Schlauch der Ernährungssonde ihrer seit 5 Jahren im Wachkoma liegenden alten Mutter durchschnitten. Dies geschah auf Rat eines Anwaltes, den die Tochter eingeschaltet hatte, weil das Heim sich zunächst geweigert hatte, die künstliche Ernährung zu beenden. Weil auch der behandelnde Arzt die Einstellung der künstlichen Ernährung angeordnet hatte, lenkte das Heim schließlich ein. Das Gesamtunternehmen hatte das Heim dann aber angewiesen die Sonde wieder anzulegen, der Tochter Hausverbot zu erteilen und die gegenteilige mündliche Patientenverfügung der Patientin zu ignorieren.
Dass der Rat zum Durchtrennen des Schlauches kein strafbarer Tötungsversuch war, ist nun höchstrichterlich klargestellt. Rechtlich ist jede Behandlung grundsätzlich Köperverletzung. Nur die Einwilligung des Betroffenen macht sie zulässig. Auch jede Weiterbehandlung bedarf einer solchen rechtfertigenden Erklärung. Der Abbruch mit Willen des Betroffenen braucht eine solche Einwilligung gerade nicht. Wird die Behandlung gegen den Willen des Patienten erzwungen, so ist das die strafbare Handlung und nicht der Abbruch. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Wiederaufnahme des Pflegeheims  klar als rechtswidrigen Angriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin gewertet. Die Einwilligung der Patientin, die ihre Betreuer geprüft und bestätigt hatten, habe bindende Wirkung entfaltet und stelle sowohl nach dem seit dem 1. September 2009 als auch nach dem zur Tatzeit geltenden Recht eine Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs dar. Dies gilt jetzt, wie inzwischen § 1901 a Abs. 3 BGB ausdrücklich bestimmt, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.
„Die Entscheidung und die klaren Worte des BGH sind uneingeschränkt zu begrüßen“, so der DAV. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im DAV hatte sich erst im April 2010 auf dem Ersten Deutschen Seniorenrechtstag mit Fragen des neuen Patientenverfügungsrechts und der Sterbehilfe beschäftigt. Rechtsanwältin Dr. Doering-Striening, stellvertretende Vorsitzende der DAV-Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht: „Jede andere Entscheidung hätte das neue Patientenverfügungsgesetz ad absurdum geführt. Es respektiert den verfassungsrechtlich geschützten Willen des Menschen, über seinen Körper und sein Leben selbst zu entscheiden. Auch wenn die Entscheidung unvernünftig ist oder einfach nur von anderen nicht respektiert wird.“
„Das beste Recht nutzt nichts, wenn es nicht jemand durchsetzt“, so Dr. Doering-Striening weiter. Die Patientenverfügung müsse nach neuem Recht schriftlich sein. Sie sollte Auslegungsregeln enthalten für all die Situationen, die man nicht sicher vorhersehen könne. Denn auch der mutmaßliche Wille könne reichen, um den Patientenwillen zu realisieren. „Geben Sie Ihrem Bevollmächtigten und den Sie behandelnden Ärzten „Regieanweisungen für Ihr Drehbuch am Lebensende“ und sorgen Sie dafür, dass sie durchgesetzt werden“, lautet die Empfehlung von Doering-Striening.

20Juni/10

Fahrtenbuchauflage nach erstem Verkehrsverstoß

Der Pkw des Halters wurde von einer anderen Person benutzt, die statt der erlaubten 70 km/h mit einer Geschwindigkeit von 129 km/h fuhr. Die Behörde konnte den Fahrer nicht ermitteln. Der Antragsteller gab an, er könne sich nicht erinnern, wem er das Auto geliehen habe. Die Behörde verpflichtete daraufhin den Antragsteller, für die Dauer von 18 Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Dagegen wandte er sich mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht: Er sei seit vielen Jahren Verkehrsteilnehmer und habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

Das Gericht bestätigte jedoch die Fahrtenbuchauflage: Die Auflage sei rechtmäßig und müsse im Interesse der Verkehrssicherheit auch ab sofort gelten. Eine Fahrtenbuchauflage dürfe gegen den Fahrzeughalter angeordnet werden, wenn sich nach einem Verkehrsverstoß nicht feststellen lasse, wer das Fahrzeug gefahren habe. Die Auflage sei auch nicht unverhältnismäßig. Schließlich sei die Geschwindigkeitsüberschreitung zwar ein erstmaliger, aber gravierender Verstoß. Für eine solche Ordnungswidrigkeit seien ein Bußgeld in Höhe von 240 Euro, ein Monat Fahrverbot und vier Punkte im Verkehrszentralregister vorgesehen. Keine rechtliche Bedeutung habe, dass der Antragsteller nicht selbst gefahren sei und sich auch bislang nichts habe zuschulden kommen lassen. Entscheidend sei vielmehr, dass es im Wiederholungsfall möglich sein müsse, den Fahrer zu ermitteln.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

20Juni/10

Schmerzensgeld nur bei genauem Nachweis

Ein Fahrradfahrer erlitt durch den Unfall Verletzungen am rechten Augenlid, am rechten Unterkiefer und am linken Knie. Außerdem verletzte er sich am Gebiss, ein Zahn brach ab, zwei Zähne waren locker. Nach einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus musste sich der Kläger zehn zahnärztlichen Behandlungen unterziehen. Die beklagte Haftpflichtversicherung zahlte 3.000 Euro Schmerzensgeld. Der Kläger behauptete, er habe über mehrere Wochen Schlafstörungen und Kopfschmerzen als posttraumatische Belastungsstörung erlitten. Im Bereich einer Narbe am Kinn leide er an einwachsenden Barthaaren. Darüber hinaus verspüre er immer noch Schmerzen im linken Knie. Er erhob Klage auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens weiteren 5.800 Euro. Die Versicherung hielt diese Schmerzensgeldforderung für überzogen. Die gezahlten 3.000 Euro seien für die erlittenen Schmerzen angemessen.

Das Landgericht Coburg gab dem Kläger nur zu einem geringen Teil Recht. Es verurteilte die Haftpflichtversicherung, weitere 1.000 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen. Der Kläger habe seine Behauptung zu den erlittenen Schmerzen nicht bewiesen. Die vorgelegten ärztlichen Atteste seien etwa zwei Wochen nach dem Unfallereignis ausgestellt worden oder hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die bescheinigten Schmerzen im Zusammenhang mit dem Unfall stünden. Nachweislich leide der Kläger allerdings unter Entzündungen im Bereich der Narbe wegen eingewachsener Barthaare am Kinn. Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen unfallbedingten Verletzungen und Beeinträchtigungen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro angemessen. Die Kosten für das Verfahren musste allerdings zum überwiegenden Teil der Kläger tragen.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

15Juni/10

Pflichtteilsrecht bei Lebensversicherung

Auf die Entscheidungen, die der BGH am 28. April 2010 (AZ: – IV ZR 73/08 – und – IV ZR 230/08 -) getroffen hat, hat die Fachwelt seit langem gewartet. Damit hat die oberste richterliche Instanz zur Frage Stellung bezogen, mit welchem Wert ein schenkungshalber eingeräumtes widerrufliches Bezugsrecht an einer Lebensversicherung bei der Berechnung von Pflichtteilergänzungsansprüchen anzusetzen ist.

Die aktuelle BGH-Entscheidung sieht demnach vor, den Wert der Lebensversicherung anzusetzen, den diese in der letzten – juristischen – Sekunde des Lebens des Erblassers nach objektiven Kriterien für sein Vermögen gehabt hätte. Dies entspricht in der Regel dem Rückkaufswert der Versicherung. In Einzelfällen könnte jedoch auch ein objektiv belegter höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein. „Mit dem Urteil hat der Bundesgerichtshof wieder für Rechts- und Beratungssicherheit in diesem wichtigen Bereich gesorgt“, bekräftigt Konrad.

Neben mehr Rechtssicherheit Erhöhung der Pflichtteilergänzungsansprüche

Der Bundesgerichtshof ist einer Tendenz in Literatur und Rechtsprechung, die sich auf eine Entscheidung des 9. Zivilsenats des BGH stützte, entgegen getreten. „Nach vorangegangenen unterschiedlichen Entscheidungen der Berufungsgerichte war die Rechtslage für Pflichtteilsberechtigte und Erben unklar geworden“, führt Konrad aus. So habe beispielsweise das Oberlandesgericht Düsseldorf den Pflichtteilsergänzungsanspruch auf Grundlage der vollen Versicherungssumme berechnet, das Kammergericht hingegen entschied infolge der rechtsgerichtlichen Entscheidung auf Basis der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien. Das aktuelle BGH-Urteil schaffe, so Konrad, nicht nur Rechtssicherheit, sondern hat auch für die Pflichtteilsberechtigten erhebliche Auswirkungen.

In den Fällen, in denen Lebensversicherungen bei der Pflichtteilergänzung eine Rolle spielen, wird der Anspruch in der Regel höher sein als früher.

Allerdings müssen dies künftige Erben auch bei der Liquiditätsvorsorge für Pflichtteilsauszahlungen bedenken.

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des DAV benennt die Deutsche Anwaltauskunft unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 0 18 05 / 18 18 05 (Festnetzpreis 0,14 € pro Minute) oder man sucht selbst im Internet unter www.davvers.de.